Extension Bündner Kunstmuseum
0561-DUN-CH-2012
Architect: Durisch + Nolli
Status: Competition (2012)
Visualizer: Studio
Scale: Medium
Types: Cultural, Museum

«Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, dass alle Ereignisse gleichzeitig um mich herum existierten. Die zeit wurde horizontal und zirkulär, war gleichzeitig Raum, und ich versuchte ihn zu zeichnen.» Alberto Giacometti, „Der Traum der Sphinx und der Tod des T.“, in Labyrinthe N° 22, 1946

Situation

Der Neubau des Bündner Kunstmuseum ist sozusagen der kontemporäre Nachkomme von Villa Planta. Er ersetzt den Sulzerbau, der den Ansprüchen eines Modernen Kunstmuseums nicht genügt. Er übernimmt dabei Analogien im Hinblick auf Setzung, Massstäblichkeit , Materialität, Gliederung, Typologie und behält dabei einen einzigartigen, selbstständigen Charakter. Durch den Neubau wird Villa Planta mit einem zeitgenössischen, modernen, einfachen Museumsbau zur Gesamtanlage ergänzt. Es entsteht ein neues Museumsensemble, ein neuer Organismus, der in sich ruht.

Das neue Museum gliedert sich auf delikate Weise in die bestehende Umgebung (Kontext) ein. Er respektiert den qualitativ wertvollen Bestand und setzt dennoch einen neuen, starken Akzent in den städtischen Raum. Der Baukörper des neuen Kunstmuseums besteht aus Kunststein in Form von Fertigteilen, und übernimmt in seiner tektonischen Gliederung Module und Proportionen des Referenzgebäudes Villa Planta.

Wie in so manchen klassizistischen Vorbildern, von Palladio bis Schinkel, ist die tektonische Gliederung der Front eine vorgestellte Fassade die nicht der effektiven Gebäudestruktur entspricht. Die dreiteilige vertikale Gliederung, mit Sockel, Gebäudekörper und Attika/Dachbereich erlaubt trotz höherem Baukörper, eine Annäherung des Neubaus an die Proportionen und an die Massstäblichkeit der Villa Planta und ist somit mit seiner starken Präsenz an den Ort verankert. Deux Têtes, (Zwei Köpfe) ist der Titel verschiedener Werke des grossen bündner Künstlers Alberto Giacometti bei denen er immer wieder zwei Momente, zwei Ausdrücke der selben Realität zu fassen versucht. In gleicher Weise sollen die zwei Köpfe des neuen Bündner Kunstmuseums, Villa Planta und sein kontemporärer Nachkomme, auf ihre Umgebung wirken.

Ein Organismus

Durch die Positionierung des neuen Haupteingangs an der Grabenstrasse, analog des Ursprünglichen Zugangs zur Villa Planta, wird die städtebauliche Aufwertung der Grabenstrasse vom Theaterplatz bis zum Postplatz hin vervollständigt. Die leichte Zurücksetzung der Eingangsfront schafft einen Ort, der das neue Museum in die bestehende Gartenanlage einbezieht und gleichzeitig den neuen Haupteingang eindeutig deklariert. Das neue Bündner Kunstmuseum präsentiert sich typologisch gesehen als eine Einheit.

Ein zweiköpfiger Organismus, der unter der Erde zusammen mit Villa Planta zu einem einzigen neuen Baukörper verschmilzt. Dabei bleibt Villa Planta unangetastet und in ihrem Bestand gesichert. Das neue, grosszügige, zweigeschossige Foyer ist die zentrale Drehscheibe die zu den zwei klar getrennten Museumsbereichen führt: Auf einer Seite die Sammlung, die sich als Abfolge von Sälen und Galerien als Promenade Architecturale auf organische Weise unterirdisch mit der Villa Planta verbindet. Auf der anderen führt eine zentrale Treppe hinauf in die Obergeschosse des Neubaus, in den Bereich Wechselausstellungen.

Villa Planta

Villa Planta wird vollumfänglich in ihrer Substanz erhalten. Der unterirdische Verbindungsbau verbindet das neue Foyer auf natürliche Weise, mit einer sanft abfallenden Rampengalerie mit dem Untergeschoss der Villa. Der Zugang erfolgt direkt unter dem ursprünglichen Haupteingang der Villa Planta. Das Untergeschoss wird damit aufgewertet und die originale Eingangssituation typologisch wiederhergestellt.

Räume für die Kunst

Sammlung. Die Sammlung artikuliert sich neu entlang einer Promenade, die vom Zentralen Foyer zur Villa Planta führt und von hier aus über eine Sequenz von neuen Sälen zurück ins Foyer. Die neuen Ausstellungsräume bieten das, was in der Villa Planta fehlt: grosszügige, flexible, unterschiedlich proportionierte und dimensionierte Räume und Galerien, die sich in einer abwechslungsreichen Raumfolge alternieren. Die Promenade architecturale wird so zu einer Promenade artistique, die sich auch in idealer Weise als künstlerischer Lehrpfad anbietet.

Die unterschiedliche Form, Belichtung, Grösse und Proportion der Räume verleiht dem Rundgang eine besondere Attraktivität, der dem Besucher vergessen lässt, dass er sich eigentlich in einem Untergeschoss befindet. Die neuen Säle der Sammlung sind mit Oberlichtkuppeln überwölbt, die eine einfache, zenitale Belichtung der Ausstellungsräume erlaubt. Die Besondere Raumform verleiht den Räumen einen klassischen Charakter, der einerseits an den Neuklassizismus der Villa Planta erinnert (Identifikation) und gleichzeitig eine optimale Flexibilität in der Bespielung gewährleistet. Die Raumverbindungen vom Foyer zur Villa Planta sind als Rampengalerie ausformuliert, die besondere Ausstellungs- und Installationsformen erlaubt.

Die Säle der Villa Planta werden durch den Wegfall der jetzigen Foyersituation, des Büros im EG, und der Passerelle in ihrem Wesen und Charakter verstärkt. Die Veranden werden ohne zusätzliche Eingriffe in Skulpturensääle umgenutzt.

Museumspädagogik. Das Atelier für die Museumspädagogik ist am Ende des Rundgangs durch die Sammlung untergebracht. Ähnlich wie die unterirdischen Ausstellungssäle ist er als Kuppelraum ausgebildet und über ein langgezogenes Oberlicht natürlich belichtet. Es kann in der Projektphase fein auf die Nutzerbedürfnisse abgestimmt werden. Die Reithalle ist als reine Theaterhalle konzipiert. Sämtliche Aktivitäten, die nicht direkt mit den Vorstellungen zu tun haben, sind im Gebäude über den Stallungen ausgegliedert.

Wechselausstellung. Die Räume für die Wechselausstellung sind in den Obergeschossen des Neubaus untergebracht. Sie bieten das, was dem Sulserbau fehlte: grosse, stützenfreie, frei bespielbare Ausstellungsräume. Es sind einfach ausgerüstete Ausstellungsräume. Eine Abfolge von Kunstlicht-, Seitenlicht- und Zenitallicht-Sälen, auf drei Geschossen auf einfache Weise erschlossen.

Die einfache Gebäude- und Fassadenstruktur erlaubt in der Projektierung eine feine Abstimmung der Lichtsituationen, besonders im Hinblick auf Seitenlicht. Die verlangte Ausstellungsfläche, ist auf 3 Geschosse verteilt, wobei die Ausstellungsflächen im 1.OG und im 3.OG durch eine strukturelle Wandscheibe in zwei 150 m2 grosse Säle unterteilt sind. Der Ausstellungsraum im 2.OG, 300 m2 ist völlig Stützenfrei und erlaubt so eine grösstmögliche Flexibilität in der Bespielung.

Cafeteria

Die Cafeteria des Museums ist im Neubau so eingerichtet, dass sie unabhängig vom Museumsbetrieb genutzt werden kann (direkter Zugang von Aussen), gleichzeitig aber auch direkt mit dem Museumseingang verbunden ist. Sie wird so zum Kunst-Café, der auch ausserhalb der Betriebszeiten genutzt werden kann. Die Cafeteria ist dank der vorgelagerten Glasveranda für das Publikum auch nach Aussen hin als unabhängiges Element lesbar und stellt in der kollektiven Erinnerung der Churer eine Analogie an die Wintergärten der Villa Planta dar, die bisher das Museumscafé beherbergten. Der Freiraum zwischen Neubau und Villa Planta wird in den Sommermonaten zur kultivierten Gartenwirtschaft in unmittelbarer Nähe zum Postplatz.

Umgebungsgestaltung

Garten Villa Planta. Die bestehende Anlage bleibt in ihrer Struktur erhalten. Respektvolle Korrekturen erfolgen aufgrund der veränderten Situation des Zugangs zum Museum. Im Südosten wird die Sockelmauer und der Zaun angepasst, im Westen wird der direkte Zugang von der Bahnhofstrasse her geschlossen, der Weg entfernt und die Bepflanzung ergänzt. An der Nordostecke der Villa sind kleine Terrainanpassungen im Zusammenhang mit der Aussenraumgestaltung des Erweiterungsbaus notwendig.

Die Kanzel über dem ehemaligen Pflanzenkeller wird klarer ausgebildet. Die Terrainschüttung am Mauerfuss und die Bepflanzung werden dort entfernt. Unabhängig vom Neubau soll vor dem heutigen Zugang Ecke Grabenstrasse/Bahnhofstrasse im Trottoirbereich ein japanischer Schnurbaum (Sophora japonica) gepflanzt werden. Der Silberahorn (Acer sacharinum) soll im Rahmen des ordentlichen Parkunterhalts ersetzt werden durch eine Orientplatane (Platanus orientalis). Dieser Baum ersetzt langfristig auch die Orientplatane weiter östlich, die im Rahmen der Realisierung des Ergänzungsbaus zurückgeschnitten, nach ihrem natürlichen Abgang aber am bestehenden Standort nicht mehr ersetzt werden soll.

Umgebung Neubau BKM

Die Erweiterungsbaute wird von grosszügigen Feinkiesflächen umgeben. Als gliedernde Elemente stehen die Oblichter der unterirdischen Räume im Kies. Im Norden, zum RhB Verwaltungsgebäude hin werden 7 Winterduftblütensträucher (Osmanthus heterophyllus) in die chaussierte Fläche gepflanzt. Die Kiesflächen können bespielt werden durch permanente oder temporäre künstlerische Interventionen.
Anlieferung. Die Anlieferung mit Kleinlastwagen und Lieferwagen erfolgt ab der Zeughausstrasse im Bereich Zwischenraum RhB Verwaltungsgebäude – Neubau BKM.

Die Anlieferung mit grossen Transportfahrzeugen erfolgt über den neu gestalteten und in der Topografie angepassten östlichen Vorplatz des RhB Verwaltungsgebäudes oder alternativ im Rückwärtsmanöver ab der Busspur Grabenstrasse. Andere Lösungen, mit seitlichem, breiten Eingangstor von der Grabenstrasse her sind denkbar, und in der Projektphase zu definieren.

Garten RhB Verwaltungsgebäude. Die zentrale Zugangsache und der Bereich vor dem Haupteingang werden in Anlehnung an historische Befunde (z.B. Foto Lang, Chur: Zugangsweg mit Kastanienallee. Gutachten Müller Illien, Seite 8) aufgewertet. Der langgezogene Kiesbereich kann im Sinne eines “Walk of Sculptures” mit Freiraumskulpturen permanent oder temporär bespielt werden. Der nördliche Gartenteil wird vereinfacht, wobei der Ausgestaltung des Sockelbereichs der symmetrischen Baute mit einer Rabatte mit Kleingehölzen und Stauden aus dem Einzugsgebiet der RhB besonderes Augenmerk geschenkt wird. Der Übergang zur Villa Planta wird durch die Ausbildung der Kanzel und die Erneuerung der Böschungsbegleitenden Bepflanzung geklärt.

Die langgezogene Freifläche zwischen der Ostfassade und der Zeughausstrasse wird als Kiesplatz ausgebildet. Einzig der Zugangsbereich zu den Treppen wird mit einer Natursteinpflasterung versehen. Entlang der Strasse bleibt im südlichen Bereich die historische Mauer erhalten. im nördlichen Bereich soll sie ergänzt werden. Acht hochstämmige Blumeneschen (Fraxinus ornus) prägen hier neu den Freiraum. Einfache Nebenbauten bilden Schutzdächer für Velos, Mofas und Roller. Entlang des Gebäudesockels werden schmale Rabatten mit Kleinsträuchern und Stauden bepflanzt. Die Neugestaltung dieses Teils der Anlage, verbunden mit der Absenkung des Terrains im nördlichen Bereich ermöglicht die Anlieferung des BKM mit grossen Fahrzeugen.

Competition: Extension Bündner Kunstmuseum | Team: Pia Durisch, Aldo Nolli, David Dalsass, Francesco Nozzi, Filippo Bolognese, Niccolò Nessi, Paolo Betti | Engineer: Fürst Laffranchi Bauingenieure GmbH, Wolfwil | Landscape: Klauser Martin Landschaftsarchitekt BSLA Büro, Rorschach | Post date: 17/08/2012 | Views: 4.158